BUNDESFINANZHOF
1. Betrieblich veranlasste
Bewirtungskosten berechtigen unter den allgemeinen Voraussetzungen
des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (§ 15 Abs. 1
UStG 1999) zum Vorsteuerabzug.
2. Die Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug durch §
15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 ist mit Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie
77/388/EWG nicht vereinbar.
3. Der Steuerpflichtige kann sich auf das ihm günstigere Gemeinschaftsrecht
berufen.
UStG 1999 § 15 Abs.
1 a Nr. 1UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst.
cRichtlinie 77/388/EWG Art. 17 Abs. 2 und Abs. 6 |
Urteil vom 10. Februar
2005 V R 76/03 |
Vorinstanz: FG München
vom 13. November 2003 14 K 3488/02 (EFG 2004, 377) |
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH,
betreibt ein Baumanagementunternehmen. Im Rahmen dieser Tätigkeit
und zur Förderung von Vertragsabschlüssen bewirtete sie gelegentlich
Geschäftskunden bei Vertragsverhandlungen und bei Baubesichtigungen
vor Ort in Gaststätten.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 1999 (Streitjahre) machte
die Klägerin die auf die Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge
in vollem Umfang geltend, da sie der Auffassung war, dass
der teilweise Ausschluss des Vorsteuerabzugs bei Bewirtungsaufwendungen
gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999)
nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ließ
jedoch gemäß § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 20 v.H. der auf
die Bewirtungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge (601 DM)
nicht zum Abzug zu (Steueränderungsbescheid vom 23. Juli 2001).
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen
der Finanzgerichte (EFG) 2004, 377 veröffentlicht ist, setzte
die Umsatzsteuer entsprechend dem Klagebegehren um 601 DM
herab.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 15 Abs. 1 a
Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. Art. 17 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG). Zur Begründung führt das FA u.a. aus, § 1 Abs.
1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 sei inhaltlich ein Vorsteuerausschluss
i.S. des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
und habe deshalb beibehalten werden können; so gesehen seien
sowohl nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 als auch
nach § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 die nach § 4 Abs. 5 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähigen Bewirtungsaufwendungen
vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen; die inhaltliche Änderung
des § 4 Abs. 5 EStG sei ohne Bedeutung. Im Übrigen sollten
nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG auf jeden Fall
die Ausgaben, die keinen strengen geschäftlichen Charakter
besitzen, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden; hierunter
fielen auch Bewirtungskosten. Es liege deshalb trotz Nichtbeachtung
des Ermächtigungsverfahrens nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG
kein Verstoß gegen Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG vor,
solange sich die nationale Regelung inhaltlich im Rahmen der
beabsichtigten gemeinschaftsrechtlichen Regelung bewege.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage
abzuweisen,
hilfsweise, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vorzulegen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren
beigetreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--). Es stützt die Rechtsauffassung des FA.
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den
Revisionsangriffen stand.
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in
Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer
für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen
Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind,
als Vorsteuerbeträge abziehen.
Diese Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt; die Klägerin
hat im Zusammenhang mit den betrieblich veranlassten Bewirtungen
umsatzsteuerpflichtige Leistungen für ihr Unternehmen bezogen,
für die ihr die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung gestellt
worden ist.
2. § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 lässt zwar den Vorsteuerabzug
nicht in vollem Umfang zu.
Nach dieser Vorschrift sind u.a. Vorsteuerbeträge, die auf
Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs.
5 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt, nicht abziehbar. Nach § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dürfen
Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem
Anlass den Gewinn nicht mindern, soweit sie 80 v.H. der Aufwendungen
übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als
angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung
nachgewiesen sind.
Demnach wäre der Vorsteuerabzug für die streitbefangenen Bewirtungsaufwendungen
um 20 v.H. zu kürzen.
3. Das FG hat die Vorschrift des § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG
1999 aber zu Recht nicht angewandt, da sie mit Art. 17 der
Richtlinie 77/388/EWG nicht vereinbar ist.
a) Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG
ist der Steuerpflichtige befugt, die Mehrwertsteuer für Gegenstände
und Dienstleistungen, die ihm von anderen Steuerpflichtigen
geliefert oder erbracht wurden, von der von ihm geschuldeten
Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände oder Dienstleistungen
für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs
(BFH) kann das Recht auf Vorsteuerabzug wegen seiner Bedeutung
für das System der Mehrwertsteuer grundsätzlich nicht eingeschränkt
werden (EuGH-Urteil vom 19. September 2000 Rs. C-177/99 --Ampafrance--,
Rs. C-181/99 --Sanofi Synthelabo--, Slg. 2000, I-7013, Umsatzsteuer-Rundschau
--UR-- 2000, 474 Rdnr. 61, 62). Ausnahmen sind nur zugelassen,
wenn sie in der Richtlinie 77/388/EWG selbst vorgesehen sind
(vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 1995 Rs. C-62/93 --Soupergaz--,
Slg. 1995, I-1883, UR 1995, 404 Rdnr. 18; BFH-Urteile vom
23. November 2000 V R 49/00, BFHE 193, 170, BStBl II 2001,
266, und vom 11. Dezember 2003 V R 48/02, BFH/NV 2004, 595).
Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug entsprechend
der Vorschrift des § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 kennt Art.
17 der Richtlinie 77/388/EWG nicht.
b) Eine derartige Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug
ist auch nicht nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG
erlaubt.
Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG enthält eine Stillhalteklausel,
die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des
Rechts auf Vorsteuerabzug erlaubt, die vor dem In-Kraft-Treten
der Richtlinie 77/388/EWG galten. Diese Bestimmung lautet:
"Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines
Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie
einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht
abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom
Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen
Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen
und Repräsentationsaufwendungen.
Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen
können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die
in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie
bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen
sind."
Bis heute sind die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG vorgesehenen Gemeinschaftsbestimmungen mangels
einer Einigung im Rat über die Ausgaben, bei denen ein Ausschluss
des Rechts auf Vorsteuerabzug in Betracht kommt, noch nicht
erlassen worden.
Die Mitgliedstaaten sind somit nur berechtigt, ihre zum Zeitpunkt
des In-Kraft-Tretens der Richtlinie 77/388/EWG bestehenden
Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten,
bis der Rat die in Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG
vorgesehenen Bestimmungen erlässt. Sie dürfen auch bis zu
diesem Zeitpunkt ihre nationalen Ausschlusstatbestände einschränken.
Dagegen ist eine nationale Regelung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände
erweitert, nicht nach Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG
zulässig; sie verstößt vielmehr gegen Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG (EuGH-Urteil vom 8. Januar 2002 Rs. C-409/99 --Metropol
und Stadler--, Slg. 2002, I-81, UR 2002, 220 Rdnr. 44 bis
45, m.w.N.). Denn es ist allein Sache des Gemeinschaftsgesetzgebers,
eine Gemeinschaftsregelung der Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht
zu erlassen und so die schrittweise Harmonisierung der nationalen
Rechtsvorschriften im Bereich der Mehrwertsteuer zu verwirklichen
(vgl. EuGH-Urteil Metropol und Stadler in Slg. 2002, I-81,
UR 2002, 220 Rdnr. 44, m.w.N.); entgegen der Ansicht des FA
dürfen die Mitgliedstaaten dem Gemeinschaftsgesetzgeber insoweit
nicht vorgreifen. Insofern ist auch unerheblich, ob ein neuer
Vorschlag der Kommission für die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs.
1 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Richtlinie vorliegt.
Repräsentationsaufwendungen i.S. des Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie
77/388/EWG sind auch --unternehmerisch veranlasste-- Bewirtungsaufwendungen.
Dementsprechend geht auch der EuGH in seinem Urteil Ampafrance
und Sanofi Synthelabo in Slg. 2000, I-7013, UR 2000, 474 davon
aus, dass Ausgaben für Bewirtung unter den allgemeinen Voraussetzungen
des Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zum Vorsteuerabzug
berechtigen, obwohl sie keinen streng geschäftlichen Charakter
i.S. des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
haben, und dass der Vorsteuerabzug für sie nur dann gemäß
Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eingeschränkt
werden kann, wenn das Recht des betroffenen Mitgliedstaates
bei In-Kraft-Treten der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug
ausschloss.
aa) Das UStG 1973 schloss bei In-Kraft-Treten der Richtlinie
77/388/EWG den Vorsteuerabzug für die streitigen Bewirtungsaufwendungen
nicht aus.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 konnte der Unternehmer "die
ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte
Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind" als Vorsteuer abziehen.
Hierunter fielen auch betrieblich veranlasste Bewirtungsaufwendungen.
Demgegenüber unterlag der Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr.
2 Buchst. c UStG 1973 der Umsatzsteuer. Diese Regelung wirkte
zwar wie eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs (vgl. BFH-Urteil
vom 12. August 2004 V R 49/02, BFH/NV 2004, 1612, Deutsches
Steuerrecht 2004, 1828), betraf jedoch Bewirtungsaufwendungen
der streitigen Art nicht. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c
UStG 1973 lag Eigenverbrauch vor, "soweit ein Unternehmer
im Inland Aufwendungen tätigt, die nach § 4 Abs. 5 Ziff. 1
- 7 des Einkommensteuergesetzes bei der Gewinnermittlung ausscheiden.".
In § 4 Abs. 5 EStG 1977 hieß es:
"Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:
...
2. Aufwendungen für die Bewirtung von Personen, die nicht
Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, soweit sie nach der
allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen
sind oder soweit ihre Höhe und ihre betriebliche Veranlassung
nicht nachgewiesen sind. ...".
Die Bewirtungsaufwendungen, um die es hier geht, betrafen
nicht die Arbeitnehmer der Klägerin und waren nach der allgemeinen
Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen; ihre Höhe und
ihre betriebliche Veranlassung sind nachgewiesen. Sie unterlagen
somit nicht der Besteuerung als Eigenverbrauch. Eine Beschränkung
des Vorsteuerabzugs aus den Bewirtungskosten durch deren Besteuerung
als Eigenverbrauch war also nicht vorgesehen.
bb) Durch Art. 1 Nr. 5 des Steuerreformgesetzes 1990 (BGBl
I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) wurde der Betriebsausgabenabzug
für Bewirtungsaufwendungen mit Wirkung ab dem nach dem 31.
Dezember 1989 endenden Wirtschaftsjahr (§ 52 Abs. 5 EStG 1990)
weiter eingeschränkt. Die Vorschrift lautete nunmehr:
"Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern:
...
2. Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem
Anlass, soweit sie 80 vom Hundert der Aufwendungen übersteigen,
die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen
anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen
sind. ...".
Diese Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs wurde jedoch
umsatzsteuerrechtlich zunächst nicht nachvollzogen. Vielmehr
wurde § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c UStG durch Art. 7
Nr. 1 des Wohnungsbauförderungsgesetzes vom 22. Dezember 1989
(BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) neu gefasst. § 1 Abs.
1 Nr. 2 Satz 2 UStG lautete nunmehr:
"Eigenverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer
...
c) im Rahmen seines Unternehmens Aufwendungen tätigt, die
unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 7 oder
Abs. 7 oder § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes fallen.
Dies gilt nicht für Geldgeschenke und für Bewirtungsaufwendungen,
soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes
den Abzug von 20 v.H. der angemessenen und nachgewiesenen
Aufwendungen ausschließt."
Demnach berechtigten auch nach 1990 die --wie im Streitfall--
angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen in
vollem Umfang zum Vorsteuerabzug; sie unterlagen auch nicht
in Höhe von 20 v.H. der Besteuerung als Eigenverbrauch, so
dass der Vorsteuerabzug in voller Höhe erhalten blieb.
cc) Erst durch § 15 Abs. 1 a Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. § 4 Abs.
5 Satz 1 Nr. 2 EStG wurde der Vorsteuerabzug auf 80 v.H. der
angemessenen und nachgewiesenen Bewirtungsaufwendungen beschränkt.
Diese Beschränkung gilt erst seit dem 1. April 1999 (vgl.
Art. 7 Nr. 11 und Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002, BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) und ist
deshalb durch Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG
nicht gedeckt.
4. Der Senat teilt nicht die Auffassung des FA und des BMF,
dass § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG 1973 bereits deshalb
den Anforderungen des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG an eine vor In-Kraft-Treten der Richtlinie bestehende
nationale Rechtsvorschrift über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs
genügt, weil "der Verweis auf das ertragsteuerliche Abzugsverbot
gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG" geblieben sei. Nach Auffassung
des Senats kommt es nämlich nicht auf den Wortlaut dieses
Verweises, sondern auf seine Wirkung an. Diese hat sich --wie
dargelegt-- zu Lasten der Steuerpflichtigen verändert. Außerdem
ist auch der Wortlaut dieses Verweises nicht unverändert geblieben;
vielmehr war der Verweis zwischenzeitlich durch § 1 Abs. 1
Nr. 2 Satz 2 Buchst. c Satz 2 UStG i.d.F. des Wohnungsbauförderungsgesetzes
vom 22. Dezember 1989 eingeschränkt worden (vgl. oben unter
3. bb).
5. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 des Vertrages zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) ist nicht erforderlich.
Nach dieser Vorschrift entscheidet der EuGH im Wege der Vorabentscheidung
über die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft,
zu denen auch die EG-Richtlinien gehören. Wird eine derartige
Frage einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt und hält
dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines
Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem EuGH
zur Entscheidung vorlegen. Ein Gericht, dessen Entscheidungen
nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten
werden können, ist zur Anrufung des EuGH verpflichtet (Art.
234 Abs. 3 EG). Zu diesen Gerichten zählt auch der BFH.
Die in Art. 234 Abs. 3 FGO genannten innerstaatlichen Gerichte
beurteilen aber in eigener Zuständigkeit, ob für den Erlass
ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung des EuGH über
eine gemeinschaftsrechtliche Frage erforderlich ist. Insbesondere
dann, wenn die gestellte Frage bereits Gegenstand einer Vorabentscheidung
gewesen war und der EuGH sie in einer gesicherten Rechtsprechung
gelöst hat, kann eine Vorlage entfallen. Dies gilt auch dann,
wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind
(grundlegend EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, SR
C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415, Neue Juristische Wochenschrift
1983, 1257).
Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, war die Vorschrift
des Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG bereits Gegenstand
mehrerer Urteile des EuGH; es besteht eine gesicherte Rechtsprechung
des EuGH, dass betrieblich veranlasste Bewirtungsaufwendungen
unter die in Art. 17 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG genannten
Aufwendungen fallen und der Vorsteuerabzug für sie nach Inkrafttreten
der Richtlinie nicht mehr ohne gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung
durch den nationalen Gesetzgeber eingeschränkt werden darf.
Damit ist eine erneute Vorlage zu diesen Fragen entbehrlich.
6. Das FG hat demnach zu Recht entschieden, dass sich die
Klägerin auf das ihr günstigere Gemeinschaftsrecht berufen
kann (zum Berufungsrecht vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar
2004 V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672, BFH/NV
2004, 1049, m.w.N.).
Bernd Burgmaier,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
burgmaier@so-bu.de
© 2005 Dr. Sommer & Burgmaier
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